Lappland – Eine Liebeserklärung
Über meiner Heimat Frühling seh’ ich Schwäne nordwärts fliegen…
Dieses Lied von tusk aus dem Jahr 1933 bringt die Sehnsucht nach dem hohen Norden wunderbar auf den Punkt – schließlich kommt es vom „Erfinder“ der bündischen Sehnsucht nach dem Norden.
Kaum eine Gegend dieser Welt wird bei uns so oft besungen und mit so viel Emotion belegt.
Daher diese kleine Liebeserklärung.
Für mich war Lappland die dritte Großfahrt – und seitdem hat mich der Zauber nicht mehr losgelassen. Man liest es immer wieder: Entweder, es lässt Dich nie mehr los, oder Du willst nie mehr hin.
Eine so große zusammenhängende, fast unberührte Naturlandschaft findet man in Europa nur noch im hohen Norden. Dort ist es noch möglich, auf einem Berggipfel zu stehen und in keine Richtung irgendwelche Spuren der menschlichen Zivilisation zu sehen oder zu hören. Keine Straße, keine Stromleitung, kein Sendemast, kein Licht. (Streng genommen ist aber auch Lappland eine Kulturlandschaft, die seit tausenden Jahren von den Samen bewirtschaftet wird.)
Was ist Lappland überhaupt?
Lappland ist nicht eindeutig begrenzt. Orientiert man sich an der Herkunft des Wortes, dann reicht es weit bis südlich des Polarkreises und bezeichnet alle Gebiete, in denen die „Lappen“ heimisch sind. „Lappe“ gilt heute als Schimpfwort – man benutzt das Wort „Same“. Die Samen bezeichen ihr Land als „Sapmí“.
Andere Definitionen nehmen den Polarkreis als südliche Grenze.
Der Polarkreis markiert die geographische Breite, an der am 21. Juni die Sonne nicht mehr hinter dem Horizont verschwindet. Aber auch etwas südlich davon ist es im Sommer fast durchgehend so hell, dass man draußen ohne Licht lesen kann.
Wer Ende Juni oder Anfang Juli nördlich des Polarkreises ist, der kann sogar die Sonne um Mitternacht aus dem Norden scheinen sehen – ein ziemlich faszinierendes Ereignis!
Auf jeden Fall erstreckt es sich von Norwegen über Schweden, Finnland bis nach Russland.
Lappland umfasst mehrere Landschaftsformen. Die bekannteste ist wohl das „Fjäll“ (schwedisch) bzw. „Fjell“ (norwegisch). Es bezeichnet den Gebirgsrücken „Skanden“, der sich von Nord nach Süd durch Skandinavien erstreckt, 1900km lang und ca. 300km breit.
Zwischen dem Skanden und dem Bottnischen Meerbusen gibt es noch eine ganze Menge Sumpf und Wald, der allerdings eher beschwerlich zu erwandern ist.
Die allermeisten Lappland-Reisenden verschwinden schnell im Fjäll, wo die meisten Wanderwege verlaufen.
„Aber lacht nicht – Fahrt zuerst einmal selbst nach Lappland und fühlt, auf welch’ seltsame Gedanken das graue Fjäll den Menschen bringt.“
tusk, Fahrtbericht 29
Und wohin nun – ist ja doch ziemlich groß?
Ja, es ist groß und bietet eigentlich für jeden etwas – vom harmlosen Einstieg mit fast täglicher Möglichkeit, einzukaufen bis zu wochenlanger Einsamkeit.
Beginnen wir im Süden, wo die südlichsten Ausläufer des Fjäll bis in die schwedische Provinz Härjedalen reichen. Dort findet man eher weitläufige Ebenen, viel Einsamkeit und relativ wenige hohe Gipfel. Man erreicht man diese Gegend von Stockholm relativ schnell in 5-7 Stunden.
Weiter nördlich beginnt die Provinz Jämtland mit deutlich höheren Bergen und den ersten hohen Gipfeln und Gletschern rund um das Sylarna- und Helags-Massiv. Dort kommt man prima mit dem Nachtzug hin, der einen von Stockholm in rund zehn Stunden nach Storlien bringt, mitten hinein in die schwedische Bergwelt. Diese Gegend ist ausserdem sehr gut erschlossen – mit etlichen Hütten und „Fjällstationen“, in denen man auch eine kleine Auswahl an Lebensmitteln für viel Geld nachkaufen kann. Es gibt eine relativ gute Abdeckung mit Mobilfunk und durch das dichte Hüttennetz viele Möglichkeiten, Hilfe zu bekommen.
Dafür ist diese Gegend ziemlich frequentiert. Vor allem auf den Hauptwegen zwischen den komfortablen Fjällstationen Storulvan, Helags, Sylarna und Blahammaren wird man im Juli und August nur selten wirkliche Einsamkeit finden.
Weiter nördlich wird es langwieriger mit der Anreise. Ins schöne und schon recht einsame Vindelfjäll fährt der Fernbus „Lapplandspilen“. Das wäre auch meine Empfehlung für den Einstieg – dort bieten sich schöne Rundtouren an zwischen Hemavan und Ammarnäs, der Sytertoppen bietet Gletscher und Ausblick, der Tärnasjö ein faszinierendes Insellabyrinth, und Einsamkeit findet man auch.
Weiter nach Norden fährt man am besten mit dem Zug. Der bringt einen entweder direkt nach Abisko ganz nach Norden, oder man steigt zwischendurch aus und fährt quer mit dem Bus ins Fjäll, z.B. nach Kvikkjokk oder Saltoluokta.
Ganz klassisch kann man Lappland auf dem Kungsled (Königspfad) erwandern, ein Fernwanderweg, der sich über mehr als 500km von Abisko ganz oben bis in den Süden nach Hemavan erstreckt. Besonders im Juli machen das aber ziemlich viele Menschen, so dass man ein paar Abstriche in Sachen Einsamkeit in Kauf nehmen muss.
Dafür findet man ein gut markiertes Wegenetz und kann auch dort in den Hütten und Fjällstationen am Weg auch Lebensmittel nachkaufen und Hilfe im Notfall bekommen.
Welterbe Laponia
Der Kungsled durchquert das größte zusammenhängende Wildnisgebiet Europas, die unter der Bezeichnung „Laponia“ Unesco-Weltkulturerbe ist. Es ist etwas größer als Korsika und umfasst etliche Schutzgebiete und Nationalparks.
Am berühmtesten ist wohl der Sarek Nationalpark, dessen Gipfel und Gletscher der Wanderer ohne Hütten und markierte Wege erkunden muss. Es gibt nur wenige Brücken, so dass die Durchquerung er Gletscherflüsse an manchen Stellen eine ziemlich riskante Sache werden kann. Die hohen Niederschlagsmengen sind nicht gerade ideal, wenn man mit der Kothe unterwegs ist. Proviant bekommt man dort auch nicht. Es gibt nur ein einziges Funkgerät in der Mitte des Parks und keinen Mobilfunkempfang. Im Notfall ist man also auf sich alleine gestellt.
Um den Sarek herum gibt es einige wunderschöne Wanderwege mit spektakulären Ausblicken, die sich für den Anfang besser eignen.
Der Abschnitt des Kungsled von Saltoluokta nach Kvikkjokk streift den Sarek beispielsweise und bietet vom nahen Gipfel des Skierfe einen der grandiosesten Ausblicke, die ich bisher weltweit geniessen durfte.
Auf der Westseite des Sarek verläuft der Padjelantaleden über die wunderbaren Hochflächen des „Landes dort oben“. Nach Westen öffnet sich der Blick über die großen Seen Virihaure und Vastenhaure, nach Osten breitet sich das Panorama über den Sarek aus, mit seinen schroffen Gipfeln und Gletschern. Ganz großes Kino.
Wem das alles zu langweilig ist, der kann sich auch eine Karte schnappen und einfach querfeldein laufen. Dafür benötigt man allerdings schon ein Erfahrung, um Flüsse sicher zu durchwaten, Schnee- und Geröllfelder sicher zu überqueren und die Kräfte richtig einzuteilen.
Wetter
Gut zu wissen ist auch, dass es sehr unterschiedliche Niederschlagsmengen gibt – von 300mm bis 4000mm ist alles drin. Wer mit der Kothe unterwegs ist, wählt vielleicht besser eine Ecke, in der es weniger regnet. Besonders der Sarek ist für viel Regen bekannt, während die Gegend um Abisko, das Vindelfjäll und das Jämtlandsfjäll etwas trockener sind.
Trinkwasser ist nirgends ein Problem. Aus praktisch jedem Gewässer im Fjäll kann man bedenkenlos trinken, ohne Abkochen, ohne Filter. Am besten direkt das Gesicht ins eiskalte Nass getaucht und einen kräftigen Schluck genommen!
Um so selbstverständlicher sollte es sein, die Gewässer dort nicht zu verschmutzen – auch die beste Bioseife gehört nicht hinein!
Manchmal wird es im hohen Norden auch im Sommer recht frisch und auch Minusgrade und Schneefall im Juli kommen vor – wenn auch eher selten. Dementsprechend sollte man lange Unterwäsche, Handschuhe und Mütze einpacken. Der Anblick frisch verschneiter Fjällrücken in der hervorbrechenden Sonne ist es aber durchaus wert, ein wenig zu frösteln. Die allermeiste Zeit herrschen aber sehr angenehme Wandertemperaturen zwischen 10 und 25°C.
Wann?
Im Sommer ist der meiste Schnee gegen Mitte Juni verschwunden. Ab Juli beginnt die schwedische Sommerferienzeit, dann wird es merklich voller. Ab August ist es wieder leerer und es gibt bereits wieder ein wenig Dunkelheit in der Nacht.
Der September ist mit seiner intensiven Herbstfärbung ein ganz besonderer Monat – kalte, klare Nächte, Einsamkeit, goldenes Laub und rote Beeren.
Ein gewaltiger Vorteil kann dann sein, dass die Mücken bereits vom Nachtfrost dahingerafft wurden.
Um den 20.9. werden dann die Hütten verschlossen, die Ruderboote eingemottet und manche Brücken abgebaut, um sie vor dem Frühjahrschmelzwasser zu schützen.
Man kann auch im Winter fahren. Die beste Zeit ist zwischen März und April, dann liegt noch viel Schnee, die Tage sind bereits recht lang, die Temperaturen angenehm und die Hütten sind bewirtschaftet.
Dann bewegt man sich auf Langlauf-Skiern oder Schneeschuhen durch die schlafende Landschaft.
Aus meiner Erfahrung würde ich aber sagen, dass eine klassische Kothenfahrt im Winter dort oben keine gute Idee ist. Durch den vielen Schnee wird es sehr schwer werden, eine Kothe aufzubauen und bei schlechtem Wetter bietet sie zu wenig Schutz vor Sturm und Kälte. Besser aufgehoben ist man in den Hütten, die mit ca. 25 Euro / Nacht und Person allerdings auch kräftig an der Fahrtenkasse zehren – oder man entscheidet sich für ein geeignetes modernes Zelt.
Mit Wölflingen?
Lappland ist ein anspruchsvolles Fahrtengebiet – Lebensmittel muss man für mindestens sieben Tage dabei haben, dazu noch Kocher und warme Kleidung. Bei Verletzungen oder ernsthafter Krankheit wird es schwierig, den Betroffenen in die Zivilisation zu bringen – im Extremfall hilft nur der Hubschrauber. Die Fahrtengruppe sollte also schon etwas erfahrener sein und ihre eigene Belastbarkeit kennen.
Ausrüstung
Um die große Weite und ihre Magie wirklich zu erleben, muss man sich schon eine Weile über der Baumgrenze bewegen.
Das wenige krüpplige Holz, das es dort gibt, braucht sehr lange, um zu wachsen. Für eine größere Gruppe im Fjäll auf gesammeltem Holz zu kochen ist ziemlich schwierig.
Man kann natürlich in dieser Zeit kalt essen oder das Holz mittragen – ich würde aber einen Kocher mitnehmen.
Persönlich würde ich nicht mit Affe nach Lappland fahren, habe aber dort auch schon Gruppen getroffen, die nur mit Affe unterwegs waren – tusk hatte auch nichts besseres.
Mir ist es bisher nicht gelungen, mit weniger als 25kg zu starten.
Unsere Kothe ist von den Samen abgeguckt und fühlt sich dort oben richtig wohl. In regnerischen Tagen kann es allerdings etwas schwierig sein, sie wieder trocken einzupacken – dann sollte man jede Gelegenheit nutzen, die Planen während des Tages zu trocknen.
Gutes Schuhwerk ist wichtig – vor allem sollte es einigermaßen wasserfest sein. Ein kräftig gewachster Lederschuh ist prima – viele Schweden wandern auch in hochwertigen Gummistiefeln mit Wollsocken.
Einen hochalpinen Bergstiefel benötigt man nur in den Hochgebirgsregionen oder bei Gipfeltouren.
Das gesamte schwedische Gebirge ist sehr gut kartiert in Form der „Fjällkartan“, die es auch im deutschen Fachhandel gibt.
Mücken
Ach ja, das ist das Kleingedruckte.
Die sind schon etwas lästig, aber da ist es wie mit der Kälte. Man kann sich darauf vorbereiten und es gibt genügend Dinge, die dafür entschädigen. Außerdem gibt es verschieden schlimme Jahre. Ich habe in manchen Ecken die Biester becherweise aus dem Zelt geschaufelt, ein paar Jahre später war es an der gleichen Stelle fast mückenfrei. Eine Kothe lässt sich einigermaßen mückendicht machen und mit Hilfe der chemischen Industrie kommt man auch tagsüber ganz gut klar. Dort, wo Wind weht ist es sowieso erträglich.
Wer weniger Chemie nutzen möchte, kann auch das traditionelle Teeröl (Beck-Olja) ausprobieren. Ob das gesünder ist – keine Ahnung. Aber der Geruch wird sich vermutlich tief und gründlich verknüpfen mit den Erinnerungen an die Fahrt.
Empfehlenswert ist auf jeden Fall ein Mückennetz für den Kopf, das über einem breitkrempigen Hut getragen wird. Das hält die Plagegeister vom Gesicht fern.
„Der Kachko wird einen tiefen Inhalt bekommen, genauso wie der Geruch des Teeröls, genau wie unsere schöne Tracht, genau wie unser Fahnentuch“.
tusk, Fahrtbericht 29
Wer bisher noch nicht im hohen Norden war, hat vielleicht jetzt Lust bekommen, dieses wunderschöne, klassische Fahrtenland einmal mit seiner Gruppe zu erfahren – ich kann es jedem nur ans Herz legen – vielleicht verzaubert es Euch ja auch!
Links:
Fjällhütten und -stationen:
http://www.svenskaturistforeningen.se/de/
Proviantsortiment in den Hütten:
http://www.svenskaturistforeningen.se/sv/tipserbjudanden/fjallen/Allman-fjallinformation/Butikspriser/
Lapplandspilen:
http://www.lapplandspilen.se
Härjedalingen – Linienbus ins südliche Lappland:
Schwedische Bahn:
Schwedenkarten online:
http://kso2.lantmateriet.se/?lang=en
Welterbe Laponia:
http://whc.unesco.org/en/list/774
Vindelfjäll:
http://www.svenskaturistforeningen.se/de/Entdecken-Sie-Schweden/Unterkunft-o-Aktivitateten/Lappland/Vindelfjallen/
Hallo erstmal,
Lappland hört sich einfach nur toll an und man möchte am liebsten einfach nur loslaufen.
Kleine Frage, könnte ich nähere Infos zu der Reise von damals bekommen?
Gut Pfad
Lama