Simply Scouting: Von der Großfahrt zum Jamboree
Dies der erste Artikel von upsi für das Schwarzzeltvolk. upsi kommt aus dem VCP Stamm Astrid Lindgren in Hamburg.
Ich stehe mit meiner Fahrtengruppe am Bahnhof in Kristianstad und warte auf den Bus, der uns zum Jamboree bringen soll. Knapp zwei Wochen schwedische Einsamkeit – die jamboree-bedingte Pfadfinderschwemme in den Wäldern ist ausgeblieben – liegen hinter uns und nun soll die Großfahrt mit einem Tagesbesuch auf dem Jamboree enden.
Obwohl ich bereits seit vielen Jahren dabei bin, ist es mir noch nicht vergönnt gewesen, an einem Jamboree teilzunehmen und so bin ich fast genauso aufgeregt wie meine Sipplinge. Viel habe ich bisher gehört von „Plastikpfadfindern“, „Kulturschocks“, „Scoutistischen Freizeitparks“ aber auch von „bewegenden gemeinsamen Momenten“ im „größten Abschlusskreis der Welt“. Großfahrt und Jamboree – passt das überhaupt zusammen?
Ich habe mir fest vorgenommen, alles auf mich zukommen zu lassen und zu schauen, was passiert. Als wir kurze Zeit später nach einer überfüllten Busfahrt (ich fühle mich gleich wieder wie zu Hause in der Großstadt) auf dem Jamboree-Gelände ankommen, werden wir mit einer Tasche, einem Lagerplan und Badges ausgestattet und müssen erneut ein Stück mit dem Bus fahren. Von weitem können wir dann endlich etwas erkennen, das wie ein Zeltlager aussieht. Beim Aussteigen stellt sich dann wieder der obligatorische Regen ein, der uns bereits bei unserer Wanderung auf dem Skåneleden begleitet hat. Uns kann aber nichts mehr die Stimmung vermiesen. Wir wollen endlich das Jamboree sehen, das aktuell eher einer Schlammwüste als einem Zeltplatz gleicht. Also stiefeln wir los durch den Matsch, mitten hinein in das bunte Jamboree-Getümmel.
Na kurzer Zeit beschließen wir, uns zu trennen. Die einen wollen in den Shop, die anderen an Aktivitäten teilnehmen und etwas zu essen suchen. Ich schließe mich dem Teil der Gruppe an, der erst in den Shop und dann auf die Suche nach zwei Stammesmitgliedern gehen will, die die komplette Zeit mit einem Hamburger VCP-Trupp auf dem Jamboree verbringen. Nachdem wir uns eine Ewigkeit durch die Massen im Jamboree-Shops gekämpft haben, um für die gesamte Fahrtengruppe Halstuchknoten zu kaufen, finden wir auch endlich unsere am Jamboree teilnehmenden Stammesmitglieder, die uns sichtlich begeistert von den vielen Aktivitäten erzählen, die sie schon gemacht haben. Ich bin froh, dass meine Sipplinge auf dem Jamboree wohlauf sind und wieder beschleicht mich das leise Gefühl, damals etwas verpasst zu haben. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass wir nicht mehr viel Zeit haben, bis wir das Jamboree wieder verlassen müssen und so gehen wir weiter zum religiösen Zentrum, in dem sich die verschiedenen Weltreligionen präsentieren. Leider geht unsere Führung nicht über den Islam hinaus, da das Zentrum kurze Zeit später schließt. Dafür bekommen wir eine sehr interessanten Vortrag über den Islam und Pfadfinden im arabischen Raum zu hören. Anschließend werden mit Souvenirs überhäuft, mein persönliches Highlight stellt ein Regenschirm dar, den man auf den Kopf setzen kann – natürlich mit WOSM-Logo. Mittlerweile ist unsere Jamboree-Tasche schon so voll mit Merchandise-Artikeln und Flyern weltweiter Pfadfinderverbände und –Lagerplätze, dass ich das Gefühl nicht loswerde, mich auf einer Messe zu befinden. Die Meile mit den Headquarters der verschiedenen Pfadfinderverbände, die den Mittelpunkt des Lagerplatzes bildet, erinnert mich wiederum ein wenig an ein Volksfest.
Trotz aller Tumulte sticht die Offenheit der Menschen, denen ich begegne, für mich besonders hervor. Jeder möchte gerne wissen, woher ich komme, wie Pfadfinden bei uns so ist und vor allem: Abzeichen tauschen. Letzterem kann ich leider nicht nachkommen, da ich mit der Abzeichensammelei eher weniger anfangen kann. Ich finde es spannend, mir die verschiedenen Pfadfinderverbände bei den Headquarters anzuschauen und mit den unterschiedlichsten Leuten zu sprechen. Die Zeit vergeht wie im Fluge und wir beschließen, zum Abschied den hohen Lagerturm zu besteigen und noch einmal einen Blick über das gesamte Lager zu genießen. Leider kommt uns ein erneuter, heftiger Regenguss dazwischen, der dazu führt, dass der Turm aufgrund der Rutschgefahr geschlossen wird. Kurze Zeit später treffen wir uns mit dem Rest unserer Fahrtengruppe und machen uns mit vielen anderen Pfadfindern auf den Weg zum Bus.
Für mich bleibt nach dem Verlassen des Jamborees die Gewissheit, zu etwas ganz Besonderem dazuzugehören – und mögen die stilistischen Unterschiede, gerade gegenüber deutschen Pfadfindern, noch so groß sein – ich finde genau diese Vielfalt so reizvoll am Pfadfinden. Trotz aller Unterschiede verbinden uns dieselbe Idee und dasselbe Versprechen. Ein bisschen mehr Offenheit gegenüber den verschiedenen Facetten des Pfadfindens würde meines Erachtens auch der deutschen Szene nicht schaden. Mir wird mehr und mehr klar, dass ich mich nicht ständig definieren möchte; bin ich nun eher scoutistisch oder bündisch eingestellt? Was überwiegt gerade mehr und was ist das einzig Wahre? Was darf man und was darf man nicht? Muss man gleich jeder Gruppe, die Dinge komplett anders macht, als die eigene, das Pfadfindersein absprechen? Für mich macht diese Mischung, die in Deutschland ganz besonders ist, das Pfadfindersein aus. Bei einigen Ländern weiß ich nicht, ob ich dort gerne Pfadfinderin wäre. Ich bin froh, dass wir neben der scoutistischen auch die bündischen Wurzeln haben, die in meinen Augen so vieles bereichern. Somit widerspricht es sich für mich nicht, auf die ‚traditionell-bündische’ Großfahrt zu fahren, die auf ein möglich einfaches Leben setzt und anschließend das Jamboree zu besuchen. Beide Seiten sind für mich Teile unserer pfadfinderischen Identität. Welcher Teil nun überwiegt, möge jeder selbst entscheiden. Ich kann nur mit dem Jamboree-Motto auf die Frage antworten, was ich denn will: „Simply Scouting!“
no images were found
Genau diese pfadfinderische Identität bleibt ein Leben lang erhalten, auch wenn man altersbedingt längst nicht mehr dem Jugendbund angehört. Daraus entstand die Idee, den älteren Ehemaligen Pfadis aller Verbände eine lockere Lagerrunde in facebook unter
https://www.facebook.com/pages/Ranger-Rover-in-Space/112507625520638
anzubieten. Hier kann sich jeder nach seinem Gusto einfinden und auch nach seinen Fähigkeiten den jüngeren Pfadis seine Hilfe anbieten. Es sollte doch wohl mal eine große Runde entstehen.
Mit “ Gefällt mir “ kann sich dort jeder einfinden.
Danke upsi für den tollen Bericht! Ja, Du hast genau recht mit Deiner Darstellung unserer Eigenart des deutschen Pfadfindertums! Die bündischen Wurzeln nicht vergessen, auch weiter diese Flamme tragen, aber immer weltoffen für alles andere, so sollten wir sein! Super Bilder! War bestimmt ’ne tolle Fahrt
Gut Pfad!
rull (roterwolf)
upsi ist die Beste