Chrissis Ausrüstungstipps: Wie man sich bettet, so liegt man. Teil 1
Eine Einführung rund um das gemütliche, warme Schlafen auf Fahrt.
Als ich im März 1989 gerade die erste Fahrt mit meiner allerersten eigenen Sippe vorbereitete, rief mich ein empörter Vater an: „Hören Sie mal, Chrissi, ich war ja auch fünfzehn Jahre bei den Pfadfindern, vom Wölfling bis zum Stammesführer. Aber wir sind NIEMALS in Monaten mit „R“ auf Fahrt gegangen! Die Kinder holen sich ja den Tod!“
Und daraufhin entspann eine muntere Diskussion über die Isolierfähigkeiten der modernen Schlafausrüstung. Ich konnte jedoch den Vater beruhigen, als ich ihm versicherte, dass wir auf Isomatten und in warmen Mumienschlafsäcken schlafen würden, und nicht – so wie er damals in den späten 60ern – in Decken gewickelt auf dem Regenponcho auf dem Boden.
Klar, wer so schläft, kann das nur in Monaten ohne „R“ tun (für die Legastheniker unter euch: das sind Mai, Juni, Juli und August), ohne sich das Gesäß abzufrieren.
Damals wie heute gilt: Man muss im März bei Bodenfrost und selbst im Januar bei -20 Grad in der Kohte oder draußen nachts nicht frieren, wenn man ein paar Dinge weiß und beachtet. Offensichtlich ist dabei die Wahl des richtigen Schlafsackes mit einer entsprechenden Wärmeleistung wichtig, dazu im zweiten Teil mehr.
Was viele aber nicht wissen: Die meisten frieren in unseren Breitengraden nicht, weil ihr Schlafsack der Temperatur nicht gewachsen ist, sondern weil sie entweder mit ihrem Körper nicht pfleglich umgegangen sind, oder vergessen haben, sich auch noch gegen die Bodenkälte zu schützen.
Es zieht von unten!
Mit dem Kauf eines kuschelig warmen Schlafsackes ist es leider nicht getan. Warum? Der Schläfer wärmt den Schlafsack und nicht der Schlafsack den Schläfer. Durch die Abgabe von Wärme erhitzt der Schläfer die Luft im Schlafsack. Die Aufgabe des Schlafsacks liegt nur darin, das vom Schläfer erwärmte Luftpolster von der Aussenwelt zu isolieren, heißt, es soll keine warme Luft entweichen und sich keine kalte Luft reinmogeln können.
Gute Schlafsäcke haben deshalb eine windabweisende Außenhaut (Test: versucht, durch die Außenhülle durchzupusten. Wenn das nur schwer oder gar nicht geht, ist alles gut. Sonst Finger von der Tüte lassen!). Und je dicker und verästelter die Füllung eures Schlafsacks ist, desto mehr warme Luft kann in der Füllung gespeichert werden, und desto kuscheliger wird es.
Leider Gottes wird der Isolationsprozess der Füllung an einer Stelle auf jeden Fall unterbunden, nämlich: von unten. An den Stellen, wo der Schlafsackbesitzer auf seiner Schlafsackfüllung liegt, kann die zusammengedrückte Füllung nur noch wenig Luft speichern und daher kaum Wärme halten. Hier muss mit einer zusätzlichen, nicht zusammendrückbaren Isolation nach unten hin nachgeholfen werden, ansonsten krabbelt uns im Laufe der Nacht allmählich die Bodenkälte in die Knochen.
Klar, in den Sommermonaten krabbelt da mangels Bodenkälte eigentlich nix, da kann man sich auch – wie mein alter Pfadfinderpapa – auf einen Poncho legen, wenn man Gewicht sparen will und ohnehin gerne hart schläft. In den anderen drei Jahreszeiten bringt’s der Poncho dann aber nicht mehr (der isoliert nämlich mangels Luftpolster überhaupt nicht, sondern sorgt nur dafür, dass keine Feuchtigkeit von unten kommt).
Manche glauben, sie hätten das Problem mit einem kuscheligen Fell auf ihrem Poncho gelöst, und vergessen dabei, dass ein Fell im Prinzip genauso wärmt wie eine Schlafsackfüllung, nämlich über die Speicherung der von Körperwärme erwärmten Luft zwischen den Härchen. Dummerweise presst der Schläfer auch aus dem Fell mit seinem Gewicht mal wieder die Luft raus – der Effekt ist der gleiche wie bei der zusammengedrückten Schlafsackfüllung, und die Isolation ist dahin.
Diese Kombination ist daher nur für den Sommer oder im Haus geeignet. Für kühlere Nächte brauchen wir stattdessen irgendwas, das verhindert, dass unsere schön angewärmte Luft unter uns raus gepresst wird.
Die gängigste Antwort heißt „Evazote“, ist ein geschlossenporiger Schaumstoff (lässt sich schlecht zusammendrücken und hat super viele klitzekleine Luftbläschen), und das Material, aus dem die meisten Isoliermatten gemacht sind. Evazote-Isomatten gewinnen mit Sicherheit keinen Schönheitspreis, sind aber die preiswerteste Lösung für unser Problem.
Die deutlich teureren selbstaufblasenden Isoliermatten verfolgen das gleiche Prinzip wie Evazote-Matten und sind obendrein noch bequemer: in einer Kunststoffhülle befindet sich ein Schaummaterial (manchmal auch Daunen oder Kunstfasern), das die aufgewärmte Luft schön an ihrem Platz hält. Das Ganze wird aufgeblasen, das Ventil zugedreht, und dann kann die gespeicherte Luft nicht mehr rausgedrückt werden. Problem gelöst, jetzt ist’s auch von unten schön warm.
Reine Luftmatrazen ohne eine solche Füllung verhindern nicht, dass die schöne warme Luft in der Matte zirkuliert und sich am Boden wieder abkühlt. Offenporige Schaumstoffmatten können genauso leicht zusammengedrückt werden wie ein Fell und sind daher zur Isolation nur schlecht geeignet. Sogenannte Leicht-Isoliermatten aus Alufolie reflektieren nur einen Teil der Körperwärme und können sie nicht halten. Ihr Isolierwert ähnelt der Kombination Poncho und Fell und geht bei Bodenkälte gegen null, und das bei deutlich weniger Komfort als das weiche Fell zu bieten hat.
Isoliermatten gibt es übrigens nicht nur der Bequemlichkeit halber in verschiedenen Dicken. Im Winter ist mehr warme Luft zwischen Schläfer und Boden einfach auch ganz schön schlau. Deshalb: Bei echten Winterfahrten auch eine echte, dicke Winterisoliermatte einpacken!
Übrigens: wer argumentiert, dass er trotzdem lieber auf einem Poncho schläft, weil ja ein Feuer in der Kohte brennt und die Funken die Evazote-Matte in Brand stecken können, den kann ich beruhigen: die Dinger kriegen zwar schnell mal ein Brand-Löchlein (wie der Poncho auch), aber man hat sich eher mit dem Schlafsack schlafend ins Feuer gerollt, als dass einem die Isoliermatte abfackelt. Da machst du dir die falschen Sorgen…
Fazit Nr. 1: Wer nicht frieren will, braucht eine der Jahreszeit angemessene Isolierung unten drunter!
Ich friere, du nicht. Dabei haben wir doch den gleichen Schlafsack!
Tatsächlich ist es sehr entscheidend, wer wie in seinem Schlafsack liegt.
Fakten:
- Frauen frieren schneller als Männer (hat mit dem geringeren Grundumsatz von Frauen zu tun) und brauchen deshalb einen etwas wärmeren Schlafsack.
- Unsportliche Menschen frieren schneller als sportliche und brauchen deshalb einen etwas wärmeren Schlafsack (hat mit dem höheren Grundumsatz von Sportlern zu tun).
- Kinder frieren später als Erwachsene, und diese wiederum später als alte Menschen (hat mit dem relativ höheren Grundumsatz junger Menschen zu tun), d.h. mit zunehmenden Alter braucht man einen wärmeren Schlafsack.
- Wer nassgeschwitzt in den Schlafsack steigt, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit frieren, weil die Schwitzfeuchtigkeit den Körper auskühlt. Also: vor dem zu Bett gehen erst was Frisches anziehen. Gilt vor allem für die Socken (falls ihr im Schlafsack welche tragen möchtet). Falls es sehr kalt ist: nur Wolle, Funktionsunterwäsche oder Seide im Schlafsack tragen – Baumwolle hält nämlich immer etwas Feuchtigkeit fest. Theoretisch ist es sogar am geschicktesten, nackt im Schlafsack zu liegen – dann geht die Körperwärme ungebremst in die Füllung über. Ist aber nicht jedermanns Geschmack.
- Wer krank, ausgekühlt, menstruierend oder übermüdet in den Schlafsack steigt, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit frieren, weil seinem Körper die Energie fehlt, um die Luft in der Schlafsackfüllung anzuheizen. In dem Fall sollte man sich überlegen, ob man nicht mit einem netten Menschen koppeln kann, der einem den Schlafsack aufwärmt, bis der eigene Kreislauf wieder richtig mitspielt. Eine Wärmflasche tut’s auch, und manchen hilft es auch, kurz locker zu joggen, damit der Kreislauf wieder in Schwung kommt und die Heizung anwirft.
- Wer hungrig in den Schlafsack steigt, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit frieren, weil seinem Körper die Energie fehlt, um die Luft in der Schlafsackfüllung anzuheizen. Aber Achtung: Wer sich kurz vor dem schlafen gehen noch den Bauch vollschlägt, wird vermutlich nur schlecht einschlafen können, weil der Körper dann mit der Verdauung beschäftigt ist. Und dann ist man ganz schnell übermüdet und friert doch. Also: rechtzeitig vorher essen!
- Wer eine volle Blase hat, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit frieren, weil die Flüssigkeit in der Blase vom Körper warm gehalten wird, statt überschüssige Wärme nach außen in die Schlafsackfüllung abzuleiten.
Solltet ihr merken, dass euer Schlafsack trotzdem an seine Leistungsgrenze kommt, gibt es noch ein paar Tricks:
- Mütze anziehen (das Kopfloch des Schlafsackes ist oft die einzige Brücke, an der Kälte eindringen kann – die Mütze begegnet der Kälte da und verhindert, dass Wärmeenergie woanders abgezogen wird, um den Kopf zu wärmen)
- Nieren wärmen (z.B. einen Wollschal um den Bauch wickeln)
- Wärmflasche benutzen: Aluwasserflasche mit heißem Wasser füllen, in ein Handtuch wickeln
(sonst verbrennt ihr euch) und rein damit in den Schlafsack, dann wärmt die Flasche die Schlafsackfüllung auf und ihr müsst das nicht mit eurer Körperwärme tun. - Den Schlafsack aufrüsten: ein zusätzliches Inlett bringt – je nach Material – ca. 2 bis 10° C zusätzliche Wärmeleistung. Tipp: Fleecestoff kriegt man günstig im Stoffhandel, und ein Inlett ist leicht zu nähen (einfach eine lange Stoffbahn einmal in der Mitte falten und die Seiten zusammen nähen, fertig). Auch eine äußere Hülle (Biwaksack) bringt nochmal ein bisschen was, und reduziert den Wärmeverlust durch Zugluft (was in straff aufgebauten, leicht schwebenden Kohten und beim draußen Biwakieren immer ein Thema ist). Die Hülle darf allerdings nicht zu schwer sein, sonst presst sie die Füllung zusammen und verringert euren „Warmluftpanzer“.
- Sehr effektiv und flexibel, und bei extremer Kälte sehr zu empfehlen: zwei Schlafsäcke (einen dünnen Sommer- und einen normalen 3-Jahreszeitenschlafsack) ineinander stecken. Euer Wärmepolster wird dadurch natürlich dicker, aber das ist nicht der einzige Vorteil. Die beiden luftdichten Außenhäute hindern die angewärmte Luft jetzt gleich doppelt am entweichen und bieten ebenso doppelten Zugluftschutz, und Kältebrücken wie das Kopfloch und der Reißverschluss können durch die doppelte Lage minimiert werden. Außerdem: Wenn man zwei solche Schlafsäcke hat, ist man für jede Wetterlage in unseren Breitengraden bestens gerüstet.
- Noch ein Tipp für die echten Freaks unter unseren Lesern: Falls ihr mal eine echt extreme Wintertour z.B. in Skandinavien machen wollt, empfiehlt sich die Verwendung eines sogenannten „Vapour Barrier“. Das ist im Prinzip nichts anderes als ein wasserdichter Biwaksack – nur zieht man den sich selbst an, bevor man in den Schlafsack steigt. Sinn und Zweck des Ganzen: die eigene Schwitzfeuchtigkeit soll nicht in die Füllung entweichen und dort gefrieren, sondern lieber am Körper bleiben. Denkt lieber nicht drüber nach, das Ergebnis ist absolut eklig. Allerdings bei Temperaturen unter -25°C auch ziemlich unumgänglich. Wer’s braucht …
Fazit Nr. 2: Wer nicht frieren will, sollte auf sich achten und nicht zu spät schlafen gehen!
Liebe Chrissi,
du schreibst: „Theoretisch ist es sogar am geschicktesten, nackt im Schlafsack zu liegen – dann geht die Körperwärme ungebremst in die Füllung über. Ist aber nicht jedermanns Geschmack.“
Das stimmt so nicht! Es gilt im Schlafsack das gleiche wie ansonsten mit dem Schichten-Prinzip im Winter unter der Daunenjacke! Je mehr ihr im Schlafsack an habt, desto wärmer wird euch auch darin sein!! Hierbei sind andere Textilien der Baumwolle vielleicht vorzuziehen – dies ist in erster Linie aber nicht ausschlaggebend.
Es ist interessant, wo diese Annahme herkommt und sich so gut hält – sie ist aber überholt. Ansonsten würden auch die einen oder anderen Tipps von dir keinen Sinn machen: z.B. der zweite dünnere Schlafsack im Dickeren.
Ansonsten ein sehr schöner Artikel mit vielen guten Tipps!
Herzlich gut Pfad,
Joschko
@joschko: die Wärme produziert vor allem dein Rumpf. Schläfst du im Anorak, kann die Wärme deine Körpers nicht zu deinen Füßen. Das ist wie mit Fäustling und Fingerhandschuh…
Das ist eine gewagte Hypothese. Zum einen bezweifle ich, dass ein so signifikanter Luftaustausch im Schlafsack stattfindet, dass die warme Luft vom Rumpf zu den Füßen „strömt“; zum anderen ist es einem an den Extremitäten oftmals deswegen kalt, weil die wichtigen Körperregionen nicht ausreichend warm, oder gegen Kälte abgeschirmt sind. Daher würde es wahrscheinlich umso mehr helfen, seinen Rumpf wärmer einzupacken.
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Hi Joschko,
danke für den Hinweis. Tatsächlich gibt es darüber regelrechte Glaubenskriege unter den Schlafsack-Gurus – auch schon damals bei uns im Verkäufer-Team ;)
Meine Aussage habe ich aus übrigens einer Ajungilak-Schulung für Fachverkäufer von 1993.
Aber wie ich schon schrieb: Das ist theoretisch, und es ist nicht jedermanns Geschmack. Ich habe selbst keine guten Erfahrungen mit mehren Schichten Kleidung im Schlafsack und schlafe am besten mit einer dünnen Schicht Wolle/Kunstfaser-Unterwäsche am Leib. Das muss wohl jeder für sich selbst rausfinden.
Liebe Chrissi,
sehr interessant: ich habe mal meine Kollegen aus der Schlafsack-Abteilung im Globetrotter gefragt. Die haben genau das Gleiche empfohlen, wie du, oben in deinem Artikel. Dann muss ich mich wohl geschlagen geben und dir im Nachhinein komplett zustimmen und dir für deinen so schönen Artikel danken.=P
Im Umkehrschluss werde ich nun mal probieren, mehr Baumwollsachen in meinem Schlafsack anzuziehen – mir ist nämlich meistens zu warm!^^
Liebe Grüße und herzlich gut Pfad,
Joschko
ein guter Artikel, bei dem ich in allem zustimme… lediglich mit dem Fell bin ich mir unsicher… die meisten Menschen vergangener Zeiten haben auf Fellen die fettesten Winter hinter sich gebracht… und ich muss zugeben, wenn das Gewicht nicht wäre würde ich auch darauf schlafen…
@Ralph: Da bist du einer Kinolegende aufgesessen. Die Menschen vergangener Zeiten haben auf mit Gras, Schilf, Stroh oder mit Wolle ausgestopften Matrazen geschlafen, was sich alles deutlich schlechter zusammendrücken läßt, als ein reines Fell. Nachzulesen hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Matratze