Im Zeichen des Klebebandes – Rumänienerlebnisse
Auszüge aus dem Tagebuch der Rumänienfahrt von Maya, crossie und egal
Tag 1
Jede gute Reise beginnt mit Schlafmangel: 5.00 Uhr aufstehen, duschen, Frühstück reinquälen, 12 Stunden Bahnfahrt nach Budapest liegen vor uns. Leider haben wir nicht bedacht, dass an diesem Wochenende ein großes Festival in Budapest stattfindet, ab Dresden wird es voll und der Gang zum Klo entwickelt sich zum Hindernislauf über Klappstühle, Campingtische und Festivalbesucher aus halb Europa. Getreu nach „Dracula“ haben wir umso mehr Verspätung, je weiter wir nach Osten kommen. Mehrmals kommen wir in den Genuss, für eine Viertelstunde die heiße, frische Luft eines Bahnsteigs gegen die heiße, stickige Luft unseres Abteils zu tauschen. Es ist spät, dunkel aber immer noch heiß, als wir schließlich ziemlich zerschlagen in Budapest ankommen.
Tag 6
Gestärkt mit Kaffee und Erdnussbutterbroten geht es los in die Berge, nur leider nicht besonders weit. Das Klebeband, mit dem Maya die Sohle notdürftig wieder mit ihrem Wanderschuh vereint hat, beginnt sich zu lösen. Als sie mit der Reparatur fertig ist, wirft sie es mir zu, dumm nur, dass Klebebandrollen rund und wir in den Bergen sind. Mit vielen lustigen, kleinen Hüpfern bewegt sich die Rolle mit ziemlich hoher Geschwindigkeit außer Sichtweite. crossie erbarmt sich und startet eine Rettungsaktion den steilen Hang hinunter. Unser weiterer Fortschritt steht im Zeichen des Klebebands, der Weg ist steinig und von Bächen durchzogen und die Reparaturintervalle werden stetig kürzer, bis Maya irgendwann beschließt, nachzugeben und zur Hütte zurück zu gehen. crossie und ich wollen weiter zum Bergsee, und ehe wir uns versehen haben wir Kühe und Sträucher hinter uns gelassen und stehen auf einem schmalen Bergkamm. Unter uns der See, rechts und links Grate, die auf schroffe Gipfel führen. Der Bergsee wird zunehmend uninteressanter und wir entscheiden, stattdessen auf den linken der beiden Gipfel zu klettern, ist ja auch gar nicht mehr weit. Natürlich ist es weiter und steiler, als wir dachten, aber schließlich stehen wir mit einem breiten Grinsen oben und genießen die Aussicht. Der Nebel, der uns den ganzen Tag verfolgt hat, schwappt an den Bergkamm wie eine träge Riesenwelle. Ein paar Fotos, einen Keks und wir machen uns wieder auf den Weg, da noch ziemlich viel Abstieg zwischen uns und der Hütte liegt. Wir stellen schnell fest, dass rutschen deutlich schneller geht, und schlittern auf Geröll, Kuhfladen und nassen Steinen den Berg hinunter.
Tag 8
Mächtig zerschlagen und mit einer gehörigen Portion Aggression auf einen kleinen knickohrigen Straßenhund namens „Streuner“, der uns seit gestern folgt und die ganze Nacht lautstark auf uns aufpassen musste, schälen wir uns aus unseren Schlafsäcken. Der kleine Übeltäter beherrscht die Kunst der Niedlichkeit allerdings so vollkommen, dass wir ihm nicht lange böse sein können. Es ist schon ziemlich heiß und unsere Flaschen erschreckend leer. Irgendwann geben wir den Versuch auf, uns mit der Karte, die wir von Mihai abfotografiert haben, zu orientieren, da Wege und Bäche die Tendenz aufweisen, sich ohnehin woanders aufzuhalten als auf der Karte. Querfeldein laufen wir grob Richtung Hateg und versuchen unseren Durst mit Brombeeren zu stillen. Der See, der von weitem so einladend aussah, entpuppt sich als Kuh-Badewanne mit Mülleinlage. Zum Glück erreichen wir eine Stunde später die Ausläufer von Hateg. Ein alter Mann mit einem beeindruckenden Bauch und einem nicht enden wollenden Wortschwall in einer Mischung aus spanisch und rumänisch gibt uns Wasser aus seinem Brunnen und nötigt uns außerdem, mit ihm aus seiner 1,5 Liter Flasche Bier zu trinken. Es ist 13.00 Uhr, unsere Mägen sind leer, wir haben zu wenig getrunken und es sind mindestens 30 Grad im Schatten. Nach ein paar Schlucken versuchen wir, möglichst höflich aus der Sache raus zu kommen, irgendwann gibt er auf und trinkt den Rest kurzerhand alleine aus, und wir dürfen weiterziehen.
Tag 9
Ich wache auf, weil mir schlecht ist. Dämmerung, ich muss kacken – na ganz toll. Aufstehen, durch den Wald stapfen, Loch graben, Durchfall, oh oh. Mir ist immer noch schlecht, und vorsichtshalber lege ich mich draußen hin. Kurze Zeit später höre ich jemanden geräuschvoll seinen Magen entleeren, oh nein, Fahrtenkotzeritis, wo haben wir das denn her?! Eine kurze Recherche in meinem benebelten Hirn ergibt das Brunnenwasser aus Hateg als Übeltäter, schön blöd, dass wir das nicht desinfiziert haben, nur diese Erkenntnis hilft uns jetzt auch nicht weiter. Maya ist glücklicherweise noch fit und versorgt uns mit Wasser, Salzbrezeln und Kotztabletten. Ob die jetzt für oder gegen Erbrechen sind hat die Apothekerin nicht verständlich machen können, ich jedenfalls muss mich 20 Minuten nach der Einnahme an einem Baum festhalten und mich von sämtlichem Wasser trennen, das ich in den letzten Stunden mühevoll in mich hinein gefüllt hatte. Schließlich kann Maya nicht mehr widerstehen, und da, was lange währt bekanntlich besonders gut wird, reihert sie einfach gleich durch Mund und Nase zwischen die Bäume. Als am frühen Abend auch noch die Mücken anfangen, uns zu malträtieren, verbarrikadieren wir uns in unserem Kothenschiff und machen das, was wir den ganzen Tag so erfolgreich getan haben: vor uns hin vegetieren.
Tag 10
Einer neuer Morgen, uns ist immer noch schlecht, wir verbrauchen immer noch Klopapier im Akkord, das Frühstück besteht aus einer Hand voll Salzbrezeln, aber zumindest fühlt sich mein Kopf nicht mehr so heiß an. In atemberaubendem Tempo packen wir unsere Sachen, selbst laufen ohne Rucksack ist plötzlich unglaublich anstrengend. Den Plan nach Simeria zu laufen haben wir lange verworfen, wir stellen uns an die Straße und keine 5 Minuten später sitzen wir eingequetscht in einem Auto und hoffen, dass unser Geruch den Fahrer nicht allzu sehr behindert.
Sibiu ist ganz anders als alles, was wir bis jetzt von Rumänien gesehen haben. Alle Häuser in der kleinen Altstadt sind frisch restauriert, überall sitzen Leute in Straßencafés, ein Pianist spielt dazu, und das ganze wird von den Laternen in gelbes Licht getaucht. Ob wir vielleicht doch in Italien gelandet sind? Als wir unser Essen einigermaßen verdaut zu haben glauben, gehen wir zurück zur Herberge der Wandergesellen, kriechen in unsere Schlafsäcke und hoffen, dass keinem das Essen aus dem Gesicht fällt, denn eine steile Treppe und eine noch steilere Leiter liegen zwischen uns und der Toilette. Obwohl in meiner Matratze die Sprungfedern durchkommen, habe ich das Gefühl, im gemütlichsten Bett der Welt zu liegen, der Geruch nach Holz und die Abwesenheit von Mücken tun ihr Übriges.
Tag 11
Ich gucke feivel und Maya beim Montieren des selbstgebauten Dachgepäckträgers zu und vertreibe mir die Zeit mit jonglieren. Ein kleiner Junge kommt, um zu betteln und mein westeuropäisch sozialisiertes Gehirn bekommt kurz Angst, er könnte mit meinen Bällen abhauen, als er darauf zeigt und etwas fragt. Ob ich jonglieren kann, übersetzt feivel. Ich zeige es ihm, und ein Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. Ich schäme mich furchtbar für meine Vorurteile und zeige ihm, wie man mit zwei Bällen jongliert, er versucht es, und jetzt freuen wir uns beide.
Fazit dieser Fahrt: Wir müssen unbedingt nochmal nach Rumänien.
egal
Schreibe einen Kommentar