Rumänien du zauberhafter Balkanstaat
Rumänien, das Land mit den Karparten im Osten. Lulu war dort diesen Sommer unterwegs und berichtet uns davon.
„Lass mal dieses Jahr zusammen wegfahr’n,… in’ Osten tramp´n oder so!“ plapperte mir Mareike mitten in der Hamburger Singerunde ins Ohr. „Jo…geht klar!“ – Und schon war die gemeinsame Fahrt beschlossene Sache.
Als wir uns ein halbes Jahr später fünf Tage vor Abreise nach klassisch bündisch spontaner Manier das erste Mal auf ein Bier in meiner WG trafen und einen alten Schulatlas aufschlugen hatte Ich zugegeben schon ein wenig Zweifel. Schnell wurden diese durch unsere aufkommende Euphorie überspielt und man begann zu träumen von Georgien, Istanbul, Budapest den Karpaten oder doch lieber in den Kaukasus? „Nee, das ist mir zu warm, dies zu westlich und dort war ich ja schon mal!“. Letztendlich kam dann doch alles anders als gedacht: Sören rief an, er wolle plötzlich mitwandern und Mona brauche noch eine Trampeskorte nach Baja Mare in Rumänien, wo sie Freunde besuchen wollte. Damit war alles ganz einfach wir wollten also in zweier Gruppen lostrampen und uns ein paar Tage später in Baja Mare in Rumänien wiedertreffen um dort Mona auszusetzen und um dann irgendwo in der Nähe die Karpaten zu bezwingen.
Wir starteten am Sonntagmorgen in Kiel bei Regenwetter und es war auch noch Ferienbeginn – Mist! Wir hatten mit Beidem nicht gerechnet! Aber schon das fünfte Auto hatte ein großes Herz und wir sprangen mit auf. So knatterten wir die A7 runter und landeten am Abend nach mehreren Tramps bei Würzburg wo wir erschöpft über einen Zaun auf das Feld hinter die Raststädte kletterten und dort einschliefen.
Am nächsten Morgen gelang uns der Wechsel auf die A3, welche uns an diesem Tag über Passau, Linz und mitten durch Budapest (unsere Fahrerin wollte tatsächlich mittendurch – das hat ca. 2,5 Stunden gedauert) bis an die Rumänische Grenze führen sollte. 200 Km und ein Grenzübergang lagen nun noch vor uns als wir abends unterm Sternenhimmel einschliefen.
Doch auch diese letzte Etappe hatte es in sich; die Grenze meisterten wir mit Bravour obwohl der Kontrolleur mir aufgrund meines veralteten Passfotos die Melone vom Kopf nahm und kurz finster mein Gesicht musterte. Nun endlich waren wir in Rumänien angekommen. Eindrücke flogen überall herum und es war ein richtiges Abenteuer, die Straßen wurden zu Schlaglochfeldern oder gar komplett zu staubigen Steinpisten. Vollbeladene Pferdekarren, auf denen ganze Familien samt Ladung hocken, fahren mit den Autos auf der Straße mit und bremsen der Verkehr immer wieder aus. Improvisierte Wellblechhütten, mittelalterliche Dörfer, zugemüllte Flüsse, Verkaufsstände vor fast jedem Haus, überall leerstehende Bauruinen oder zerfallene Fabrikgelände, natürlich auch eine Menge Sinti und Roma und unglaublich viel Natur zwischen all dem Chaos.
Ich muss zugeben, wir waren ziemlich überwältigt. Wir benötigten den ganzen Tag für diese letzten 200 Km, das lag wie man sich vorstellen kann an den rumänischen Straßen, denn Trampen klappt dort wie wir feststellen sollten deutlich leichter als in Deutschland. Der lokale Nahverkehr ist furchtbar schlecht ausgebaut und es ist dort außerdem Normalität von Anhaltern Geld zu verlangen und so verdienen sich dort viele gern etwas dazu. – Wir kamen jedoch überwiegend umsonst voran und wenn man bezahlte, dann sind lokale Preisen immer noch günstig – nicht nur für deutsche Verhältnisse.
Abends dann in Baja Mare noch ein heftiges Erlebnis, als wir am „Gypsi“-Viertel der Stadt vorbei gefahren wurden, welches teilweise eingemauert wurde und in das sich wohl nicht mal mehr die Polizei rein traue: überall Kinder auf den Straßen viele Schnüffeln oder Rauchen schon früh. Man erkennt es an den kaputten Zähnen…
Verschreckt liefen wir noch schnell aus der Stadt und hauten uns in den Wald. Zum Einschlafen überlegen wir, was man eigentlich macht, wenn der Bär nachts kommt. Ich konnte deshalb nicht einschlafen und brachte nach längerem wachliegen unseren Topf mit Essen ein paar Meter weg von unserm Schlafplatz.
Sören und Mona waren nicht so schnell unterwegs wie wir, sie stecken noch irgendwo in Polen. Deshalb halfen wir noch zwei Tage bei Monas Freunden auf einer Eco-Farm mit das Dach eines Hauses mit Reet zu bedecken; wir holten also schwere Reetbündel aus einem 20 Km entfernten Schilfsumpf, luden diese auf einen Truck und Fuhren dann mit dem vollbeladenen Truck auf der Ladefläche wieder heimwärts und genossen den Feierabend.
Nun kam endlich auch Sören an und weiter ging es in das 150 Km entfernte Bergdorf „Borsa“ nahe der Ukraine, denn von dort aus wollten wir in die umliegenden Berge starten. Gesagt getan und schon einen Tag später waren wir im Fahrtengebiet. Als erstes wollten wir den Pietrosu besteigen. Einheimische sammelten uns aber auf dem Weg ein und es gab gleich erstmal ein rumänisches sonntägliches Frühstück für uns drei. Dieses begann erst mal mit Palinka und Zigaretten – es war Sonntags 9 Uhr morgens – und nachdem man so 4-5 Gläser Palinka eingeschenkt bekommen hat, obwohl man schon nach dem erstem höfflich ablehnte merkt man wie die Rumänen so ticken: „Sunday no work …so PALINKA!“ – Naja da hilft nichts da muss man durch. Wir waren trotzdem alle froh, als die grüne Spriteflasche mit dem selbstgebrauten Schnaps endlich vom Tisch verschwand und uns die Mutter eine Hühnerbrühe auftischte, darauf folgten Speckstreifen, Gemüse und Fladenbrot. Natürlich alles selbstangebaut und hergestellt…vom Huhn bis zur Gurke. Es folgte eine Führung in die hofeigene Destilliere…wie man mit den Anlagen dort Schnaps brennen konnte, von dem man nicht blind wurde, blieb uns schleierhaft. Aber im Ernst, in den ersten 10 Tagen verging wirklich kein Tag ohne dass wir mit einem Rumänen selbstgebrannten Palinka trinken mussten.
Doch nun fiel uns wieder ein das wir ja eigentlich auf die Berge wollten zu deren Füßen wir grade im Garten saßen. Also kurz nach dem Weg gefragt und los ging es (Eigentlich wollten wir noch eine Wanderkarte kaufen aber ein Einheimischer meinte das wir nur den rot-weißen Markierungen folgen sollten und das nicht nötig sei, da oben benutzte niemand Karten…). Und schon waren wir unterweg. Der Bergweg war relativ gut ausgebaut und natürlich gab es keine Markierungen, dafür aber Forstwege, die diesen ständig kreuzten. Wir wussten schon lange nicht mehr ob wir richtig waren, hatten nur die grobe Himmelsrichtung Osten in die wir wollten. Aber der Weg war schön und wir waren nun soweit gelaufen, dass keiner mehr umdrehen wollte um den richtigen Weg zu suchen. So stritt man sich noch die nächsten Stunden, wo nun der eigentliche Weg verlaufen müsste bis schließlich alle befanden… „Wir haben uns verlaufen.“ Wir versuchten auf die nächsten Berggipfel zu gelangen um uns einen Überblick zu verschaffen, aber umringt von 2000ern fiel uns das nicht so leicht wie erhofft und der Ausblick verriet, dank der Bäume, auch nicht sehr viel. Bald hatten wir auch schon lange die Wege verlassen, weil die natürlich nicht immer nach Osten führten und liefen querfeldein durch Wälder, Wildblumenwiesen mit meterhohem Gras,, vorbei an Schäferhütten die leider alle leer standen… sonst hätte man ja nach dem Weg fragen können. Leider sahen wir die nächsten zwei Tage nur einen Schäfer, der uns fluchend von seinem Land wegscheuchte als wir zu ihm kamen und ihn fragen wollten.
Zu unserem Glück zog auch noch ein heftiges Gewitter auf, also verzogen wir uns in die nächste leerstehende Schäferhütte und starteten erstmal ein Skatturnier. Eigentlich war ja alles gut.
Die nächsten Tage verbrachten wir damit in Richtung Osten zu laufen was ohne Weg ziemlich anstrengend war, so läuft man auf nur drei Kilometer durch drei Täler die jeweils 500 Meter tief sind, und kämpft sich dabei durch Unterholz, ständig auf der Suche nach einer begehbaren Route für die nächsten 100 Meter Höhe. Schließlich konnten wir in der Ferne den Pietrosu sehen, jedoch brachen wir den Marsch zu diesem ab. Ohne Weg hätten wir am Gipfel keine Chance gehabt und zu mühsam war es die restlichen 25 Km querfeldein anzulaufen. Es ging also Bergab auf der Suche nach Zivilisation. Eine Landstraße war bald gefunden und nach kurzer Orientierung trampten wir Richtung Pietrosu um direkt von dessen Fuße aus den Anstieg erneut zu wagen.
Nach kurzen Einkauf (Essen und endlich einer KARTE!) standen wir vor einer Felswand die kurz und schmerzlos 2000 Höhenmeter macht und danach war man dann fast oben. Wir wollten an diesem Tag nur noch auf ca. 1700 kommen da war ein klarer Bergsee und da wollten wir uns endlich mal waschen.
Der See war Eiskalt aber genau des richtige für unsere stinkenden Körper von den Wandertagen zuvor. Wir bauten einen kleines Biwak auf und lagen nun mit Wildpferden und Bergsee in einem wunderschönen Tal, 600 Meter unter dem Gipfel. Kochten dort noch über’m Feuer und mussten bald feststellen, dass es Nachts sehr kalt werden konnte hier oben.
Mit den ersten Sonnenstrahlen ging es weiter. Auch die letzten 600 Meter waren eine Plagerei aber die Felswand war bald erklommen und der Ausblick war die gerechte Belohnung. Stille herrschte hier oben auf der windabgewandten Seite. Plötzlich war der Wind da, hier oben war man dem Wetter richtig ausgesetzt. Der Ausblick soweit, dass man selbst ganz klein wird. Eine Gipfelwurst und ein Skatspiel, dann wieder weiter. Diesmal mit Wegmarkierungen und Karte sollten wir noch 4 Tage auf unserem Höhenwanderweg verbringen. Der Weg war wunderschön, vorallem da er fast durchgehend die Höhe auf einem Grat hielt und es so nur noch vereinzelt über Gipfel ging, das war erträglich!
Der Ausblick war unglaublich wir hatten feinste Sicht und man konnte weit in die naheliegende Ukraine gucken. Trotzdem sah es auch in der Richtung friedlich aus und man konnte sich nicht vorstellen in einen Krieg zu schauen, die Front war zwar weit weg trotzdem hörte man von einigen Partisanen, die auch in den 20 Km entfernten ukrainischen Bergen gegen Polizei und Militär kämpfen sollten. Komische Welt…
Schlagartig war auch unsere Idylle gebrochen über Nacht war es noch kälter geworden es hatte viel geregnet, wir lagen mitten im Nebel der Wolken die Sicht betrug wenige Meter. Wir erfuhren von drei Polen das Gewitter auf uns zu zogen, wir mussten von den Bergen runterkommen.
Dieser Wandertag hatte etwas Eigenartiges an sich man lief auf Gratwanderwegen in luftigen Höhen umher und spürte den Wind und die Nässe. Die Sicht blieb den ganzen Tag auf einen 10 Meter Umkreis eingeschränkt, man wusste gar nicht wie tief das Tal rechts oder der Abgrund links war. Insgesamt wirkte es wie ein düsteres Märchen. Jeder war still und versunken in seine eigene Welt, es wurde nicht viel gesprochen. Ich dachte viel nach.
Gegen Abend erreichten wir endlich eine Abzweigung die uns runterbringen sollte. Der Abstieg war tatsächlich der Schönste, den ich je von einem Berg machen durfte. Der Himmel riss etwas auf, den Nebel ließen wir mit jedem Höhenmeter etwas zurück. Sanft ging es herab in ein grünes Tal, durch einen Flusslauf vorbei an einem See hin zur im Nebel untergehenden Sonne. Das Ziel kam in Sicht ein Wasserfall, welcher in ein schmales Tal fiel. Dort unten luden wir ab und genossen unsere heutige Heimat.
Den Abend genossen wir mit den drei Polen vom Berg welche wir wiedergetroffen hatten. Es floss noch etwas Palinka, echte Freundschaften entstanden in diesem Tal. Tage später trennte man sich mit einem weinenden und lachenden Auge. zugleich versicherten wir mal nach Warschau zu Besuch zu kommen.
Die Fahrt endete für uns mit zwei Tagen Budapestaufenthalt in einem Hostel.Wir benötigten noch zwei Tage dorthin zu trampen, doch mittlerweile waren wir geübt. Budapest war groß und überforderte mich anfangs ziemlich. Wir hatten ja die letzten Tage kaum Menschen gesehen, doch irgendwie fing mich diese Stadt sehr schnell. Kurzum, Budapest hat die wahrscheinlich mit die schönsten Hinterhofschätze: von Bunten Bars mit Tanzflächen bis zu Sofaplätzen überhangen mit bunten Lampen. Ständig der Sternenhimmel über einem, wenn man nachts feiert.
Zurück gönnten wir uns dann die Zugfahrt um zeitig anzukommen. Die Verpflichtungen in der Heimat riefen schon, aber so zögerten wir die Rückfahrt möglichst lange heraus.
Zuhause angekommen fiel ich müde in mein Bett. Viel war in den letzten drei Wochen passiert.Viel Neues hatte Ich gesehen. Noch lange schaute Ich in dieser Nacht noch den Mond an, wie ungewohnt er durch die Glasscheibe schien.
Schreibe einen Kommentar