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Slovakische Begegnungen – Sommerfahrt des Ordens der Schalme

Dies ist ein Gastartikel von zille aus dem Zugvogel – Deutscher Fahrtenbund. Er war mit seinem Orden, den Schalmen, auf Fahrt durch Osteuropa. In seinem ersten Artikel auf schwarzzeltvolk berichet er von Begegnungen mit Einheimischen in der Slowakei. Die Fotos in diesem Artikel sind von Pablo Bicheroux.

Zwei Tage lang hatten wir bei Regen in einer kleinen, räudigen Bahnhofsbaracke aus altem Holz ausgeharrt. Die ansässigen Babykatzen hatten wir nicht zähmen können und auch nicht die gewaltigen Dieselloks der slowakischen Eisenbahn, welche nur wenige Meter neben uns vorbeistampften. Am ersten Abend, wir machten es uns gerade mit Wein, Gitarren und zahlreichen Kerzen gemütlich, kam die Polizei vorbei. Nach einem kritischen Blick auf unsere sagenhafte Gemeinschaft und den obligatorischen Teekessel mit Löschwasser nickten sie uns freundlich zu, richteten noch ein paar Worte an uns, ohne das wir auch nur eine Silbe verstanden, und fuhren weiter. Ich kann mir immer schwer vorstellen, dass slowakische Pfadfinder hierzulande ähnlich angenehme Begegnungen haben, aber vielleicht ist das auch ein Vorurteil.

Als der Regen aufhörte, kamen wir wieder aus unserem Versteck gekrochen, die Sonne war noch zaghaft, die Kondition auch und so machten wir nach nur wenigen hundert Metern eine ausgiebige Frühstückspause. Sofort hatten wir die Aufmerksamkeit einer sympathischen älteren Dame geweckt; sie kam aus ihrem Schrebergarten mit selbstgezogenen Tomaten, Paprikas, Chilis und Gurken auf uns zu und höfliches Ablehnen wurde nicht akzeptiert. Sie war bass erstaunt, warum wir den in jene Richtung wollten; da sei doch nichts los, junge Leute wie wir sollten lieber in die entgegengesetzte Richtung, zur Stadt hin, da sei Technoparty! Zwar konnte sie mit diesem Hinweis unser Herz gewinnen, aber überzeugen konnte uns das nicht. Sie legte noch eins drauf und erzählte uns von ihren Töchtern, aber auch das konnte uns diesmal nicht von unseren Plänen abhalten. Wir sangen für sie zum Abschied zwei Lieder und die slowakische „Technoparty“ entwickelte sich für den Rest der Fahrt zum Synonym für die Verlockungen, aber auch Gefahren der Zivilisation.

Im Nachhinein konnten wir ihr Unverständnis über unsere Marschrichtung nachvollziehen, da jener kleine Wald doch ein arges Gebüsch war, durch das ein Weg rein- und wieder hinausführte; dann standen wir wieder auf freiem Feld. Langsam begriffen wir, dass wir noch nicht in unserem Shangri La angekommen waren. Zum zweiten Mal auf dieser Reise, denn unser ursprüngliches Ziel, eine Seenlandschaft im Süden der tschechischen Republik war zwar wunderschön und herrlich zum Baden, aber leider unter der Fuchtel brutaler Terrormücken.

Unser strategischer Rückzug hatte uns in den Norden der Slowakei geführt, wo wir die erste Nacht zur Hälfte in einer –  ich scheue mich nicht zu sagen –  legendären Bahnhofskneipe verbracht haben, nicht zuletzt aufgrund der sagenhaft leckeren und günstigen Erfrischungsgetränke. Unser Kalkül im bereits ausgekundschafteten Nebenraum der selbigen Wirtschaft auch die restliche Nacht verbringen zu dürfen, ging nicht auf, auch wenn wir zu vorgerückter Stunde versuchten die gesamte Kneipe, also zwei dünn besetzte Nachbartische und die Wirtin Renata mit Liedern zu unterhalten. Zumindest sangen wir zum Abschied das beliebte italienische Partisanenlied „Renata Ciao“ und insgesamt haben wir wohl einen sehr positiven, wenn auch recht angeheiterten Eindruck hinterlassen.

Nun, gut, wir fanden dann recht schnell ein paar Meter weiter eine genehme Wiese, wo wir unsere erste halbwegs mückenfreie Nacht verbrachten. Am nächsten Tag kamen wir an jener bereits beschrieben Baracke an und nach einem Tag Regenpause beschlossen wir unser Fahrtenglück in den „Kleinen Karpaten“ zu versuchen, ein nicht besonders steiler, dicht bewaldeter Gebirgszug nördlich von Bratislava. Dort durchstreifen wir die Wälder, saßen bis tief in die Nacht am Lagerfeuer auf Burgruinen, bis es uns in das nächste Land zog.

Von:

zille ist in einem bündischen DPSG-Trupp in Frankfurt aufgewachsen. Nach ein paar Jahren beim BDP ist er inzwischen beim Fahrtenbund Zugvogel angekommen. Die häufig anzutreffende Arroganz von "echten" Wandervögeln gegenüber Pfadfindern hält er für Selbstzweifel einer marginalen Subkultur.

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