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Stadtrandfahrt

7. Januar 2012, Kohtennacht, Stadtrandfahrt in der Dresdner Heide, nahe Klotzsche in einer Kiesgrube. Unsere Landschaften sind eng geworden, zerschnitten von Straßen, Siedlungen, Bahndämmen. Dem lärmenden Lichtkreis der Stadt entrinnen wir nicht so schnell. Aber Wildnis wächst oft gleich nebenan, unvermittelt und unvermutet. Schon standen wir im sumpfigen Morast. Und erst im Dunkeln und Regen bauen wir das Zelt.

Nur – so schnell streifen wir den alltäglichen Nonsense und hohles Geplänkel im Miteinander nicht ab, wenn das Rauschen des Verkehrs so nahe ist. Unser Traum doch eigentlich: Die weiten Gegenden, die uns weiterführen. Durch Wälder, Wiesen Berge wandern, bis sie sich zur Landschaft verdichten und in Bäumen, Felsen, Flüssen das ganz Andere der Natur hervortritt. Wir innerlich geöffnet sind für den Anspruch dessen, was da an uns herantritt und uns in unserem Wesen herausfordert. Egal wie wir es nennen: das große Geheimnis, Wahrheit, das Letzte unserer Existenz… eine innere Aufgabe.

Am nächsten Morgen bewährt sich der Wok noch einmal bei gebratenem Speck und Rührei. Das Abendgespräch über Zwang und Freiheit unserer Lebensmöglichkeiten findet beim Milchkaffee seine Fortsetzung. Wie das Eigene bestehen zwischen materiellen Notwendigkeiten und dem unentrinnbaren Druck zur Anpassung? Nachts hatten Wind und Regen immer wieder unheimlich dröhnenden Lärm herangetragen: Flugzeug, Zug, Autobahn – oder doch das Rauschen der Kiefernwipfel? Nie riss der Strom ab. Und auch Dunkelheit ward uns nicht vergönnt. Fahle Wolken statt der erhofften Geborgenheit der Nacht. Seltsames Fiebern einer bedrohlichen Unbehaustheit. Aus dem Sandboden kroch die Kälte zu uns herauf in den unruhigen Schlaf.

Nach einer heiteren Vormittagsstunde setzt der Regen wieder ein, sodass wir die Erinnerung an die Sandgrube in den Rollen und dem Fell unserer Tornister weitertragen. Nach dem raschen Zusammenpacken geht es in heftigen Strömen heimwärts. Allzu bald sind wir wieder am Bahnhof und auf der Straße. Nun also waschen und hinein ins Galahemd – oder auch nicht! – und ab ins Theater oder zum Familiengeburtstag. Zu flüchtig der Übergang, als dass man ihm lange nachtrauern könnte. Doch bleibt etwas wach in uns: Stadtrandfahrt – zu kurz, zu wenig? Wohin bei nächsten Mal? Träumt ihr schon von Wäldern und Bergen der Slowakei? Auf bald, Kameraden!

 

aus dem Fahrtenbuch der Älterenrunde des
Ordens der Weitfahrer
im Jungenbund Phoenix

Anm. d. Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich in myrrhenstreu – postille des phoenix 14/2012

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