10

09

Tu immer was der Würfel sagt

Die Älterenrunde des Stammes Astrid Lindgren auf Stochastik-Fahrt

CIMG9184

Eine Fahrt ist immer beeinflusst von Zufällen. Vieles ist ungewiss. Das macht für uns den Reiz der Fahrt aus. Bei Entscheidungen verlassen wir uns auf unsere Erfahrungen oder auf unser Bauchgefühl.

Bei unserer letzten Älteren-Fahrt verließen wir uns vor allem auf zwei Würfel (6 Augen und 18 Augen) und eine Münze. Die Idee schwirrte schon lange in unseren Köpfen herum, ließ sich bisher jedoch noch nicht umsetzen. So beschlossen wir zu Beginn des Jahres, diese Art der Fahrt einmal auszuprobieren. Der ursprünglich nicht ganz ernst gemeinte Name ‚Stochastik-Fahrt‘ hielt sich so nachhaltig, dass die Fahrt schlussendlich doch diesen Namen bekam.

Ende Juli ging es dann für ein Wochenende los. Da wir keinerlei Plan für diese Fahrt hatten, entschieden wir spontan, uns am Hauptbahnhof ein Länderticket zu kaufen, um Richtung Mecklenburg-Vorpommern zu fahren. Der Wetterbericht versprach dort nämlich – ganz im Gegensatz zu den umliegenden Bundesländern – ein sonniges Wochenende.

Als wir im Zug Richtung Rockstock saßen, würfelten wir die Anzahl der zu fahrenden Stationen aus und landeten in Hagenow Land. Die hier geworfene Münze sagte eindeutig nein zu unserer Frage, ob wir dort in einen neuen Regionalzug steigen sollten und wir machten uns auf den Weg.

Das Glück schien auf unserer Seite zu sein, denn die durch den Münzwurf angezeigte Straße führte uns direkt aus dem Dorf heraus in den Wald. Aber aufgrund der über uns herfallenden Mückenschwärme hegten wir bereits nach kurzer Zeit den Wunsch, den Wald zu verlassen.

‚Tiefer in den Wald‘ sagte der Würfel und so entstand die erste Diskussion in der Gruppe: Wollen wir das hier stumpf durchziehen und das machen, was uns der Würfel sagt, auch wenn unser Bauchgefühl etwas anderes rät? Wie lange würden wir es durchhalten, wenn das Ergebnis von Würfel oder Münze nicht wunschgemäß sein würde?

Nach kurzem Hin und Her entschieden wir uns dafür, vorerst Würfel und Münze zu folgen. Schon nach kurzer Zeit stellten wir jedoch fest, dass wir im Kreis gelaufen waren und schlugen daher den einzig noch verbliebenen Weg ein, der uns in das nächste Dorf führte. Hier fanden wir dann einen schönen Schlafplatz für die erste Nacht.

Um nicht noch einmal im Kreis zu laufen, stellten wir an diesem Abend die Regel auf – auch entgegen des Würfels – niemals Wege zu nehmen, die zurück zum Ausgangspunkt führen könnten und fühlten uns damit auf der sicheren Seite.

Die Sonne trieb uns am nächsten Morgen früh aus der Kohte und so liefen wir weiter aus dem Dorf hinaus. Wieder musste ich mein Bauchgefühl ignorieren, den anderen Weg zu nehmen. Schließlich hatten wir den Vorsatz gefasst, unsere Idee mit dem Würfeln noch nicht zu früh aufzugeben. Die Fahrt ging ein ganzes Stück weiter durch den Wald.

Wir kamen gut voran, bis auf einmal ein Schild vor uns auftauchte, das unsere Freude ein wenig dämpfte. Wir konnten seiner Aufschrift entnehmen, dass es noch einen Kilometer bis zu dem Dorf war, in dessen Nähe wir übernachtet hatten. Leicht frustriert mussten wir uns eingestehen, dass wir trotz der neuen Regel vom Vorabend ein zweites Mal im Kreis gelaufen waren. So beschlossen wir, dass wir die Würfel- und Münzwurfergebnisse etwas großzügiger auslegen mussten, wenn wir vorankommen wollten. Ab da kam es immer häufiger vor, dass das Würfelergebnis ganz zufällig ‚brannte‘ und wir erneut würfeln mussten. Nachdem wir schon eine ganze Weile aus dem Ort herausgelaufen waren und das Wasser immer knapper wurde, spürte ich wieder den starken Wunsch, eine Karte dabeizuhaben, um schneller in den nächsten Ort zu kommen. Je später es wurde, desto mehr sorgten wir uns, wann wir wieder Wasser bekommen würden. Es war mittlerweile ein sehr heißer Tag geworden und wir hätten mindestens die zweifache Menge dessen benötigt, was wir noch an Wasser dabei hatten. Wir hatten nicht erwartet, in dieser Gegend so lange laufen zu können, ohne Menschen zu treffen oder an Häusern vorbeizukommen.

[Not a valid template]

Mittlerweile dachte niemand von uns mehr darüber nach, dass wir eigentlich würfeln wollten. Vielmehr waren wir damit beschäftigt, uns den letzten Rest Wasser einzuteilen und den Weg in den nächsten Ort zu finden, der uns dann doch noch von einer netten Autofahrerin beschrieben worden war. Die Sonne brannte und die Straße nahm kein Ende. Doch nach einer gefühlten Ewigkeit sahen wir endlich Häuser vor uns.

Es war ein wunderbarer Moment, unsere Flaschen zu füllen, zu trinken und uns abzukühlen. Nun dachte erst recht niemand von uns mehr darüber nach, dass wir völlig vom Würfeln abgekommen waren, denn wir hatten ein neues Ziel: In einem Kilometer Entfernung gab es laut Auskunft eines Anwohners einen Badesee, an dem es niemanden stören würde, wenn wir dort die Kohte aufstellten.

Voller Vorfreude auf ein kühles Bad erreichten wir kurz darauf den See, der erstaunlich leer war. Nach dem Schwimmen waren die Anstrengung der letzten Stunden schnell vergessen. Wir verbrachten einen entspannten Abend am Feuer und ließen den Fahrtentag mit Tschai und Liedern ausklingen.

Auch am nächsten Tag packten wir Würfel und Münze nicht mehr aus und nahmen den direkten Weg in den nächstgelegenen Ort mit Bahnhof, um von dort nach Hause zu kommen. Erst auf dem Rückweg in der Bahn stellten wir fest, dass wir irgendwann aufgehört hatten, zu diskutieren, ob wir nicht doch lieber würfeln sollten und dass unsere ursprüngliche Idee plötzlich einfach unter den Tisch gefallen war.

Wir mussten uns eingestehen, dass diese Fahrt, für die wir gar nichts planen wollten, einen sehr viel strikteren Plan hatte als gewöhnliche Fahrten. Das war wohl die Krux: Unsere Selbstbestimmung ging ziemlich schnell verloren und die vermeintliche Freiheit und Spontanität verkehrte sich irgendwann ins Gegenteil. Essenzielle Dinge, wie die Wasser- und Essensversorgung muss man eben doch ein wenig planen. Trotz allem hat die Fahrt viel Spaß gemacht und wir sind Wege gegangen und haben Menschen getroffen, die wir sonst nicht kennengelernt hätten. Unsere erste Wahl wäre diese Wanderstrecke unter anderen Umständen sicher nicht gewesen. Eine spannende Erfahrung war es jedoch auf jeden Fall. Probiert es doch selbst einmal aus!

Von:

stammt aus dem VCP Hamburg. Hier ist sie im Stamm St. Rafael aufgewachsen und gründete 2008 den Stamm Astrid Lindgren, in dem sie bis heute aktiv ist. upsi hat schon diverses im Stamm und in verschiedenen Projekten im VCP gemacht und treibt sich gerne auf überbündischen Veranstaltungen herum. Sie schreibt zu allem, was sie gerade umtreibt, für schwarzzeltvolk.de.

Ein Kommentar zu Tu immer was der Würfel sagt

Schreibe einen Kommentar