Wer trägt den schwarzen Aufkleber dort…
Über keine Veranstaltung in der bündischen Szene wurde in den vergangenen Jahren so heftig diskutiert wie über das Beräunertreffen. Immer wieder sind auf Burg Ludwigstein anwesende Gruppen wie der Freibund Anlass zu Kritik. In diesem Jahr wurde der Protest gegen Gruppen von einigen offen kundgetan. Ein Aufkleber machte die Runde, der die Diskussion um den Umgang mit „rechten Jugendbünden“ neu befeuerte, aber auch selbst Anlass zur Kritik war. Eine Meinung von WoHei zur aktuellen Diskussion.
Manchmal habe ich einfach eine scheiß Wut im Bauch. Wenn ich heimkomme, nach einem Wochenende, dass eigentlich genau so war, wie ich es mir erhofft hatte. Nächte durchgefeiert, alte Freunde getroffen und neue gefunden, Lieder gelernt, die mich noch am nächsten Morgen auf dem Weg zur Arbeit als Ohrwurm begleiten. So könnte man das Beräunertreffen in diesem Jahr zusammenfassen und trotzdem bleibt da auch ein bitterer Nachgeschmack, weil nämlich nicht alles toll und eitel Sonnenschein war. Es gibt eine ganze Reihe an Dingen, die mich ankotzen, wenn ich genauer darüber nachdenke.
Es geht mir extrem gegen des Strich, dass es Gruppen und Einzelpersonen gibt, die sich jugendbewegt nennen mit denen ich aber einfach nichts zu tun haben will. Weil sie durch ihr äußeres Auftreten und ihr Verhalten immer wieder ihre Nähe zu rechtsextremen oder völkischem Gedankengut zum Ausdruck bringen. Ja, das gilt auch für den Freibund (der dieses Jahr auf dem Beräunertreffen recht stark vertreten war) und den Deutschen Mädelwanderbund (gibt’s den überhaupt noch?).
Da könnt ihr euch raus lavieren und Erklärungen abgeben wie ihr wollt. Selbst mit dem besten Willen bleibt, dass ihr bewusst in Kauf nehmt genau dorthin gestellt zu werden, wo man euch hinstellt. Ins rechte Eck.
Was also tun? Aus Protest zu Hause bleiben? Sehe ich ehrlich gesagt nicht ein. Ein Boykott schadet am Ende allen, nur nicht den Gruppen die hier kritisiert werden.
Fahre ich hin habe aber auch ein Problem, weil schweigen zum Freibund meine Ablehnung nicht deutlich genug zeigt.
Und genau da kommt der Aufkleber ins Spiel. Irgendwann während des Wettstreits. Ich glaube es war in der Pause bekam ich ihn zugesteckt. Und ich muss zugeben, im ersten Moment fand ich die Idee gut. „Kein Platz in unser’n Kothen für völkische Idioten!“ stand da. „Idioten“ klingt drastisch, aber wenn sich dadurch einer beleidigt fühlt, dann trifft es wohl den Richtigen. Getroffene Hunde bellen und so… Und die Idee genau hier, auf dem Beräuner ein Zeichen zu setzen, dass man mit „denen“ eben nichts zu tun hat fand ich eigentlich ’ne super Idee. Wo, wenn nicht hier? Wann, wenn nicht jetzt?
Tja, eigentlich. Denn bei genauerem Hinsehen entpuppte sich der Aufkleber als Scheißidee. Warum? Weil dahinter nicht das steckt, was ich und andere zunächst angenommen haben. Der Aufkleber ist eben kein Symbol, das einfach nur zeigt, dass man mit „völkischen Idioten“ nichts zu tun haben will.
Gerade ihr, die ihr den Freibund und andere Gruppen öffentlich kritisiert, bedient euch immer wieder Argumentationsketten die, mal mehr mal weniger treffend, die Verwendung zweifelhafter Symboliken entlarven. Ihr fragt zurecht, wo Symbole herkommen und in welchen Traditionslinien einzelne Bünde stehen.
Und in welcher Traditionslinie steht euer Aufkleber? Welcher zweifelhaften Symbolik bedient ihr euch?
Das Motiv ist in wesentlichen Teilen ein Zitat des Symbols der „Good Night White Pride“-Bewegung. Dass diese Vorlage eindeutig Gewalt verherrlichend ist, darüber muss man sicher nicht diskutieren. Stellt sich also nur noch die Frage warum, oder gar mit welcher Absicht ihr euch dieser Symbolik bedient? Nachlässigkeit? Unbedarfter, naiver Umgang? Dafür kenne ich die Urheber des Aufklebers zu gut. So einfältig sind sie nicht. Und selbst wenn sie es wären, müsste ich hier den gleichen Maßstab anlegen den ich auch schon weiter oben angelegt habe. Es ist schlicht egal, ob ihr euch die Ideologie von „Good Night White Pride“ bewusst zu Eigen macht, oder nur bewusst in Kauf nehmt mit ihr in Verbindung gebracht zu werden.
Am meisten ärgert mich aber, dass vielen wahrscheinlich gar nicht bewusst ist was alles hinter dem Aufkleber steckt. Man sieht die vordergründig gute Sache, den Protest gegen völkische Gruppen, und merkt gar nicht, wie man sich dabei auf moralisch dünnes Eis begibt.
Der Aufkleber ist in seiner Symbolik untrennbar mit einer gewaltbereiten und Gewalt verherrlichenden Szene verbunden. Diese Szene hat mit den von mir gelebten Idealen der Jugendbewegung und Pfadfinderei genau so wenig zu tun wie rechtsextreme oder völkische Weltanschauungen. Und wer diesen Aufkleber trägt oder sein Motiv verbreitet, der muss sich die Frage gefallen lassen, ob er oder sie es gut heißt, dass auf diesem Bild jemand erschlagen vor der Kothe liegt. Genauso wie andere Gruppen den Gebrauch ihrer Symbole rechtfertigen müssen.
Alle Versuche sich aus diesen Zusammenhängen rauszureden sind genauso dünn wie die Versuche von Freibund und Co. ihre Verbindungen ins rechte Milieu kleinzureden.
Um das noch einmal klipp und klar zu sagen: Ich begrüße jedes Statement gegen rechtsradikale oder völkische Gruppen, aber den Weg, der auf dem Beräunertreffen eingeschlagen wurde, gehe ich nicht mit!
Ich bin auch da schon nicht mehr bei euch, wo ihr euren Aufkleber heimlich auf fremder Leute Gitarren klebt, um euch dann darüber zu amüsieren, dass ausgerechnet das Mädchen aus dem Freibund damit auf der Bühne steht. „Höhöhö, ein völkischer Idiot und es steht so gar dran.“
Scheiß auf die damit einhergehende Sachbeschädigung über die sich manch einer im Pfadfinder-Treffpunkt und anderswo beschwert hat. Viel schlimmer wiegt für mich, dass ihr da jemand ein Brandmal verpasst. Statt schalachroter Buchstaben gibt’s jetzt schwarze Aufkleber mit ironisch gebrochener Umdeutung! Und ihr steht hämisch, erhoben über den Anderen und grinst. Leute, wenn das eure Methoden sind, dann seid ihr ganz unten angekommen!
Jetzt könnte man berechtigter Weise fragen, warum ich mich eigentlich so sehr darüber aufrege. So groß war die Sache doch gar nicht. Wahrscheinlich hat die Mehrheit der Besucher des Beräunertreffens von der ganzen Aktion nichts mitbekommen.
Stimmt, aber das war auch nur die Spitze des Eisbergs. Es fängt damit an, dass ich es einfach satt habe mich dafür rechtfertigen zu müssen, warum ich auf’s Beräunertreffen fahre. Das war schon in den vergangenen Jahren albern und ich habe mich schon einmal auf dieser Seite darüber lustig gemacht.
Ich fahre dahin, feiere mit meinen Freunden und unterstütze nebenbei vielleicht auch noch eine Sache, die ich im Grunde gut finde. Nein, nicht alles dort finde ich gut, aber vieles. Und nur, weil ich zufällig auch mal mit „Idioten“, wie ihr sie nennt, im gleichen Raum bin, heißt das noch lange nicht, dass ich mich vor deren Karren spannen lasse. Mit vielen Menschen die sich ein Halstuch um den Hals hängen habe ich ungefähr soviel zu tun, wie mit dem Menschen die jeden Morgen mit mir im gleichen Bus sitzen.
Wir reden hier von Weltanschauung und Gesinnung die wir kritisieren. Das ist keine ansteckende Krankheit die man sich einfängt, weil man zufällig mit jemandem im gleichen Raum ist!
Ich hab keinen Bock mehr auf eure teilweise einfach nur schlechten Argumente. Weil ihr damit all denen, die sich raus lavieren wollen Tür und Tor öffnet. Es ist nicht ganz einfach gute und stichhaltige Argumente gegen einzelne Bünde zu finden. Wer die einschlägigen Publikationen dazu (z.B. www.rechte-jugendbuende.de) verfolgt wird schnell merken, dass selbst die schärfsten Kritiker der genannten Bünde selten mit handfesten Fakten argumentieren können. Vielmehr bewegen sich diese Gruppen in einer schwer zu fassenden Grauzone in der wenn überhaupt, dann selten die Grenze von Recht und Gesetz überschritten wird.
Und jetzt begeben sich die Kritiker auf’s gleiche, nebulöse Feld und machen es den kritisierten Gruppen nur noch leichter sich gegen die Kritik zu wehren. Mit den Worten und Symboliken von „Good Night White Pride“ zu argumentieren ist nicht verboten. Aber will man das? Ich für meinen Teil will das nicht. Ich würde gerne intelligenter zum Ausdruck bringen, dass Gewalt und Extremismus nicht teil meines Weltbildes sind.
Ihr Kritiker von Freibund und Co. habt euch dieses Jahr auf dem Beräuner mit euren eigenen Waffen geschlagen. All denen, die versuchen extremistischen Gruppen mit Vernunft und Bedacht etwas entgegen zu setzen habt ihr einen Bärendienst erwiesen!
Danke! Mir wäre lieber gewesen ihr hättet geschwiegen.
EDIT (19.03.13, 15:30): Ursprünglich wurde im Artikel mal erwähnt, der Pfaden zum Beräunertreffen im Pfadfinder-Treffpunkt sei nur für angemeldete Mitglieder einsehbar. Mittlerweile ist er wieder für alle frei zugänglich und über folgenden Link abrufbar: Beräunertreffen 2013 im Pfadfinder-Treffpunkt.